Gisela Schubert

Ich; Gisela Schubert

ISBN: 978-3-9819919-0-1
Format: 148 x 210 mm
Umfang: 84 Seiten
12,90 €

Beschreibung

Zunächst in Bildern, die Unbekümmertheit und Regellosigkeit von Kinderzeichnungen mit der Wucht wieder und wieder hereinbrechender traumatischer Erinnerungen vereinen, später in Texten, die eine Sprache aus dem Innenraum des Traumas wie selbstverständlich finden, hat Gisela Schubert, wie sie sich jetzt (wieder) nennt, ihren Ausdruck gefunden, Äußerungen, die aufwühlen und verstören.

Oft ist es wenn der Tag Kein Ente hat, und hat
er ein Ende, und die Dunkelheit kommt, die Anst,
zu schlafen, weil ein die unendlichkeit keine
Ruhe gibt, weil mann dann immer an das denk
was hast Du Falsch gemacht?

[Orthografie und Zeileneinteilung so im Original – M.M]

„ICH, Gisela Schubert“ – eine Frau, die zu dem Mädchen, das sie war, nicht nur in der Rückkehr zum “Mädchen“-Namen zurückgefunden hat, sondern in den Bildern und Texten noch einmal dieses Mädchen war, das rebellische, das „böse“ Kind, auch das Mädchen, das stärker als den körperlichen Hunger den ungestillten Hunger nach Bildung erlitt, eine Frau, für die ein Leben ohne erneute Bevormundung, ohne Befehle, selbstbestimmt, der höchste Wert ist, höher als ihre Gesundheit:
„ICH“ – es war und bleibt ein langer, mühevoller, verzehrender und auch stets gefährdender und gefährdeter -Weg zu diesem ICH.

Wer diesen in keiner Weise selbstverständlichen Weg aus der Ferne aufmerksam und respektvoll begleitet hat, ahnt, dass dieser Band 1 der edition H nur eine Momentaufnahme ist. Gisela ist mit ungewissem Ausgang weiter auf dem Weg.

Texte und Briefe von Gisela Schubert wurden sprachlich nicht verändert; die Zeileneinteilung wurde übernommen; Orthografie und Zeichensetzung wurden angepasst. Die Großschreibung immer dann, wenn Gisela Schubert von sich selbst spricht, wurde wegen ihrer Bedeutung für den Prozess, den wir beobachten dürfen, beibehalten.

Einlesungen

 

Ich Gisela Schubert

Schmalkalden, kam ins
Kinderheim, vor allem sollte
Ich ein besserer Mensch werden,
Was war Ich denn vorher?
Das erste Lied, was wir
lernten, war das Lied
„Vaterland kein Feind soll
Dich gefährden“, teures
Land was unsere Liebe
trägt. Vaterland, was uns
ernährt, was uns die
Wahrheit lehrt. Ja, Ich glaubte
daran, Ich war ein Kind,
des teuren Landes, der DDR,
Aber als Ich erkannte wie
teuer das Land ist, was
Ich lieben sollte, war es bei
mir, Gisela Schubert, vorbei,
Es war für mich ein Arbeits-
Staat, teuer für die anderen
aber nicht für mich!
Keiner konnte mich zwingen,
dieses Lied noch einmal
zu singen. Dieses Lied
war eine Lüge.

Und mit der Lüge wollten
sie viele Kinder zwingen.
Aber mich nicht.
Da fing mein Leben an,
das teure Land zu hassen,
Du warst ein teurer Mensch
wenn Du mit gelogen
hast. Ansonsten warst Du
ein Sandkorn in einem großen
Sack, den man auf und
zu machen konnte,

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