Arrestbuch Durchgangsheim Schmiedefeld

Materialien I: Kontrolle – keine Vorkommnisse

ISBN: 978-3-9819919-3-2
Format: 200 x 298 mm
Umfang: 184 Seiten
22,90 €

Beschreibung

Keine Vorkommnisse: o. V. manchmal auch k. V. sind die ökonomischen Kürzel eines Rasters, das sich bleischwer über die Tage legte, die Kinder und Jugendliche in den Arrestzellen des Durchgangsheimes Schmiedefeld verbrachten. In einem undatierten Bericht – offenbar aber nach dem 14.02.1983 verfasst – heißt es: „Mit der Eröffnung des Durchgangsheimes in Schmiedefeld im Jahre 1974 wurde eine Lücke in der Kette der Heimerziehung im Bezirks Suhl geschlossen. […] Kompliziert gestaltet sich die politische-ideologische Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen, da diese in ihrer Zusammensetzung ständig wechseln. Sie kommen aus unterschiedlichem Milieu, das zumeist unter sozialem Aspekt negativ gelagert ist, haben im schulischen Bereich oft mangelhafte Leistungen, ihre politische Grundhaltung ist in vielen Fällen nicht nur indifferent, sondern gegenüber unserem Staat und der sozialistischen Gesellschaftsordnung ablehnend. […] So ist eine wichtige Aufgabe, mit der Einweisung dieser Jugendlichen den schwierigen Prozeß der Umerziehung zu beginnen…“

In das Heim am Taubenbacher Weg 81 in Schmiedefeld wurden am 14. Februar 1974 die ersten beiden Mädchen eingewiesen; der letzte Junge verließ das Heim am 9. Dezember 1987. Insgesamt sind knapp 1500 Einweisungen nachgewiesen.

Ohne Vorkommnisse – keine Vorkommnisse sollen die Abkürzungen bedeuten, die in einer üppigen Fülle von Abwandlungen die triste Feststellung , es sei nichts „vorgekommen“ seltsam kontrastiert: dies alles in der Handschrift der Erzieherin, des Erziehers, die/der diese Feststellung in einer kaum vorstellbaren Terminhäufung protokolliert hat.

„Vorkommnisse“ stören die routinierte Abfolge des ewig Gleichen selten – das konnten sein: macht keine Meldung, verweigert das Essen, klagt über Kopfschmerzen, beschmiert die Zelle, aber auch: droht mit Suizid, versucht sich zu erhängen oder erwürgen.

Es ist ein Glücksfall, dass ein Arrestbuch und ein Isolierbuch erhalten geblieben sind, die es gestatten, die Arretierungen im Zeitraum zwischen 10.11.1983 (Beginn Arrestbuch) und 08.12.1987 (letzte Eintragung im Isolierbuch) nachzuvollziehen.

Weitere Bücher aus dieser Reihe

Materialien II: Geduscht Delitexbehandelt Eingekleidet Isoliert

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Leise schreien

Die Autorin hat in Texten und Gedichten ihre Sprache gefunden, für das was ihr geschehen ist. Es ist, wie auch der Band B von Simone Piorek die andere Sicht auf die Isolierung. Sie bestätigt die in Arrest- und Isolierbuch (vgl. Materialien I und II) spürbare Kälte und spricht gleichzeitig den Gegenentwurf aus. Diese Sicht ist die Stimme gegen die Formel.

Mein Leben und ich

Der Text von Kerstin Kratzenberger ist ein Dokument des Scheiterns des für sie zuständigen Referates Jugendhilfe/Heimerziehung. Gewalttätigkeiten und sexuelle Übergriffe führen zu keinem dauerhaften Schutz; nach Heimaufenthalten wird immer wieder die Rückkehr in die Familie angeordnet.

Republikflucht im schweren Fall

Auch für die Autorin dieses Bandes wird das Durchgangsheim Schmiedefeld zur entscheidenden Erfahrung von Ohnmacht und Entwürdigung. Mit ihrem Freund wird sie unter dem Vorwurf, illegal die DDR verlassen zu wollen, aufgegriffen und von der Polizei nach Schmiedefeld gebracht.

Ich; Gisela Schubert

Zunächst in Bildern, die Unbekümmertheit und Regellosigkeit von Kinderzeich-nungen mit der Wucht wieder und wieder hereinbrechender traumatischer Erinnerungen vereinen, später in Texten, die eine Sprache aus dem Innenraum des Traumas wie selbstverständlich finden, hat Gisela Schubert, wie sie sich jetzt (wieder) nennt, ihren Ausdruck gefunden, Äußerungen, die aufwühlen und verstören.

Wie geht es Dir, mir geht es gut

62 Briefe sind erhalten geblieben, die Alexander Matzke an seine Mutter Gisela schrieb. Einige wenige aus einer durch die Erkrankung der Mutter bedingten Trennung, die anderen aus dem Durchgangsheim Schmiedefeld, aus dem Spezial-Kinderheim Wenigenlupnitz und aus dem Jugendwerkhof Wittenberg.

Da oben, auf dieser Burg

123 handgeschriebene Seiten sind es – vorläufig – geworden. E.B. wollte der Stadtverwaltung Heldburg mitteilen, was sie als Kind im Sonderschulheim Veste Heldburg (heute Deutsches Burgenzentrum) erdulden musste.