Der Text von Kerstin Kratzenberger ist ein Dokument des Scheiterns des für sie zuständigen Referates Jugendhilfe/Heimerziehung. Gewalttätigkeiten und sexuelle Übergriffe führen zu keinem dauerhaften Schutz; nach Heimaufenthalten wird immer wieder die Rückkehr in die Familie angeordnet.
„Leider habe ich bis zum heutigen Tage nicht verstanden, ‚warum‘. Es war dem Jugendamt bekannt, dass die mich nur geschlagen haben. Die wussten, dass Herr K: im Knast war – aber nein – man schickt mich wieder dorthin.
Ich fing dann wieder an, wegzulaufen.
32mal Fahndungen legte ich hin und dieses Spiel ging so:
Ich lief weg – Polizei griff mich auf – Ich lief weg – Polizei griff mich auf – Ich lief weg – Polizei griff mich auf – usw.
Dann hatte die Dame vom Jugendamt die Schnauze voll.
Die Polizei rückte in Halle in der Schule ein, Packte meine Schulsachen in meinen Ranzen, zerrte mich aus dem Klassenzimmer.
Ich schrie, weinte, strampelte wie verrückt, aber die waren stärker. [Ich hatte] keine Chance. Man stopfte mich in das Polizeiauto und [wir] fuhren los. Ich wusste weder wohin geschweige weshalb. Man brachte mich ins D-Heim nach Karl-Marx-Stadt. Wieder eingesperrt – kein rauskommen, alle Türen zugeschlossen, kein nettes Wort, nix.“